Hast du die Kraft?

Draußen war es mittlerweile schon dunkel geworden, zwar war es grade mal 16 Uhr aber durch die Jahreszeit kam die Nacht schneller. Das tat gut und spendete der Dame Kraft. Eine schlanke, sehr graziöse Frau konnte man hinter einer großen Panzerglasscheibe erkennen. Das lange, leicht gelockte Haar lag einfach nur hinab und hatte für den heutigen Tag genau so wenig Lust richtig zu liegen, wie die Dämonin zu arbeiten. Nur mussten noch einige Akten bearbeitet werden und eine Kontrolle der Abrechnungen mussten gemacht werden. Das alles blieb an dieser Frau hängen. Warum nur?! Vielleicht lag es daran, dass sie solch eine Wichtige Arbeit keinem anvertraute? Nun gut, an sich hatte diese Lady ja nichts anderes. Das einzige was ihr blieb um irgendwie mit ihrem Vater verbunden zu sein. War das zu dumm? Sich so kaputt zu machen für die Arbeit?
Eine junge Frau kam herein. „Miss Laval, der gewünschte Mann ist da“ sagte diese Frau demütig und schaute der langhaarigen auch nicht ins Gesicht. Die letzte Person die das getan hatte, hatte ihr Auge verloren. Die Geschäftsfrau nickte leicht und deutete an das der Herr eintreten sollte. Ein etwas längeres Gespräch bahnte sich an. Victoria machte sich auf die Kündigung bereit und genau das tat sie. Die mangelnde Zuverlässigkeit war für den Betrieb nicht mehr tragbar gewesen. Es wurde lautstark in dem Raum und der Herr verschwand auch schreiend das Gebäude. Warum musste man nur solch Probleme immer haben?
Mit einem langen Seufzer räumte sie die Akten zusammen und ging mit einer schwarzen Aktentasche aus dem Gebäude. Verabschiedete sich zumindest für ein paar Stunden. Die Frau war recht müde und der letzte schlaf war auch schon etwas länger her. Victoria ging mit selbstsicheren Schritten voran und ging über die Straßen. Es hatte begonnen richtig dicke Flocken zu schneien. Kalt trotz Rock war ihr nicht, denn die langen Strümpfe wärmten richtig gut. Die Dame blieb an einem Geschäft stehen und sah die Klamotten an. In diesem Moment sah sie an sich herab. Neue Kleidung wäre wirklich toll.
Das konnte sich die Dämonin nur nicht erlauben, nicht weil es finanziell nicht funktionieren würde, sondern weil keine Zeit da war. Das meiste wurde online bestellt, aber das Shoppinggefühl hatte sie schon so lange nicht mehr gehabt. Victoria hatte einen dunkelroten Schirm aufgemacht, der sie etwas vor dem Schnee schütze. Denn dieser Schnee würde sie ganz nass machen und das wäre nicht gut. Die Zeit sich zuhause zu duschen um sich dann vollständig wieder fertig zu machen hatte sie nicht. Gedankenverloren ging die Lady die Straße weiter entlang und bemerkte gar nicht wie ein unkontrollierter LKW auf sie zu raste. Dieser hatte durch das Glatteis die Kontrolle verloren.
Ein dumpfes Geräusch war zu hören und Victoria drehte sich erschrocken um. Ihre Augen weiteten sich als sie bemerkte wie auf einmal der Laster auf sie zukam. Eigentlich konnte sie sich immer retten, aber dieses Mal hatte sie Angst wollte fliehen aber war wie Eis am Boden fest gefesselt. Der LKW kam immer näher und das ungebremst.

Welch grausige Dinge er heute schon gesehen hatte! Diese Stadt, ihre Bewohner - vor allem Seinesgleichen! Dämonen, welche sich selbst als eine Herrenrasse zu schimpfen pflegten und mit ihren Mitbewohnern wie Maden umsprangen! "Tchh.." Abschaum, welches vom Antlitz dieses Planeten getilgt werden sollte. Warum nur konnten seine Brüder und Schwestern, welche doch ebenfalls wie er die Marter eines Lebens in den Höllenlanden durchlebt hatten, nicht einsehen, dass Gewalt, Hass und Diskriminierung ihren Mitwesen gegenüber die Spirale des Hasses nur noch weiter schürten, anstatt sie langsam gen Ende zu führen?
Die Gedanken, welche seine Seele wie glühendes Lava durchströmten, ließen seinen Körper in einem unnatürlich dunklen Rotton scheinen; selbst das dichte Schneegestöber dieses kalten Wintertages konnte ihn nicht erreichen, da die Wärme, welche von seinem Leib ausging, die Flocken bereits zum verdampfen brachte, bevor sie überhaupt seinen Leib erreicht hatten. Kein Wunder also, dass über ihm Dampf aus kondensiertem Wasser gen Himmel zog, der den passenden Anschein erweckte, als ob der Dämon vor Wut förmlich am Kochen war.
Erst das Quietschen von Reifen, das Blockieren von Bremsen und der Schrei einer jungen Dame, welcher sich in seinen Gedanken manifestierte, ließ ihn aus seinem Zustand glühenden Hasses erwachen - ein Gedanke, welcher eine der möglichen Realitäten darzustellen vermochte, welche in den nächsten Augenblicken Gestalt anzunehmen drohte. "Nein... nicht noch mehr Opfer..!" Auch, wenn die Verbitterung zu diesem Zeitpunkt Besitz von ihm zu ergreifen suchte, ließ sich in den eisblauen Kanoniersaugen des Mannes, welcher schon vor Jahrtausenden den Namen Alphonse Van Helsing angenommen hatte, ein warmes - nein! - strahlendes Glühen erkennen, als er schließlich über das glatte Eis los hechtete, auf dem einst gefrorenen Boden unter seinen Füßen dampfende Pfützen hinterließ und schließlich die Frau aus seiner Vision mit einer grazilen Bewegung auf seine Arme schwang, um mit einem gut drei Meter hohen Sprung gemeinsam mit ihr aus der Gefahrenzone zu entrinnen, wobei er schließlich in einiger Entfernung sanft auf dem Boden landete, die geschockte Frau aus seinen Fängen entließ und sich lächelnd verneigte, ehe er dem LKW, welcher nicht einmal den Ansatz eines Stillstands und dementsprechend einer Entschuldigung zu machen schien, einen bösen Blick hinterherzuwerfen, nur um sich daraufhin wieder der Frau zu widmen, welche er soeben vor ihrem sicheren Ende bewahrt zu haben schien. "Ich bitte zutiefst um Verzeihung, dass ich sie so plötzlich ohne Vorwarnung ergriffen habe, doch wenigstens konnte ich damit sicherstellen, dass sie nicht ihren letzten Atemzug tätigen mussten. Mein Name ist Alphonse Van Helsing, Mylady, und es freut mich sehr, sie kennenlernen zu dürfen." Eine weitere, flüssig und nicht gekünstelt aussehende Verbeugung folgte seinen Worten, ehe er die jung aussehende Frau mit einem warmen Lächeln bedachte und sein Wort ein weiteres Mal erhob. "Dürfte ich denn auch den ihren Namen erfahren, Mademoiselle?"

Victoria hatte in diesem Moment wirklich an nichts mehr gedacht. Ihr Kopf war leer, einfach verdammt leer und nichts wollte rein. Keine Idee wie, >>Mädel, verschwinde!<< oder aber >>Mach dich da weg oder zerstör den Laster<< nein einfach nichts. Das war schon merkwürdig, denn eigentlich ist die Lady sehr aufmerksam und versucht es allem Recht zu machen, sowie für alles eine Lösung zu finden. Schon eigenartig, aber ihr Gehirn wollte einfach nicht funktionieren. Versagte dem Dienst und ging in den Streik. Es waren so viele Wesen hier unterwegs, aber niemand hatte Interesse daran dem anderem zu helfen. Das war die Gesellschaft, alle nur auf sich selbst bezogen. Nun gut, an sich war Victoria manchmal nicht besser und versuchte aus allem ein Vorteil zu ziehen. Nur nun konnte man doch nicht jemand alleine sein? Das ging doch einfach nicht!
In dem Moment wo sie eigentlich dachte, nun sei es zu Ende wurde ihr warm. Fast schon heiß, denn sie wurde von jemand umarmt. Dem Geruch zu Folge war es ein Mann. Und er roch verdammt gut! Victoria zitterte leicht und wusste nicht was sie sagen sollte, denn für wenige Sekunden verlor sie auch den Halt unter den Füßen. Waren wir nun unter die Artisten gegangen? Das war ihr aber relativ egal, solang sie gerettet war! Das war alles was von Bedeutung war. Denn bis jetzt hatte sie noch keinen, der das Erbe der Firma antreten konnte. Wenn ihre Eltern nun noch Leben würden, wäre das Thema einen Nachfolger zu gebären ein großes Thema. Denn das durfte nur einer der besten Reinblüter Dämonen sein die es gab. Nichts was vielleicht normal sei oder gar für diese Abschaum. Ja, ihre Eltern wären da schwierig geworden, aber Victoria war alleine. Ganz alleine und hatte sich mal wieder in ihren eigenen Gedanken verloren.
Kurz darauf erhob dieser Fremde Mann die Stimme und die Wortwahl war wirklich entzückend. So erhaben über alles und doch warm. Ob das ein längerer Abend werden würde? Victoria hob die Hände vor der Brust. „Aber bitte mein Herr, euch habe ich mein Leben zu verdanken Habt recht herzlichen Dank dafür ich schulde Ihnen etwas“ sagte diese freundlich und machte einen knicks, so wie man es ihr vor Jahren beigebracht hatte. „Es freut mich eure Bekanntschaft zu machen Herr Alphonse Van Helsing, meine Mutter gab mir den Namen Victoria Laval“ stellte sich diese vor und schaute dem Mann direkt in die Augen. Irgendwas war anders an ihm und die langhaarige konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Was war nur los mit ihr? Heute war wirklich nicht ihr bester Tag gewesen. Ohne damit Aufsehen zu erregen, wanderte ihr Blick rasch über den Körper dieses Mannes und musste wirklich sagen das er verdammt gut aussah.

Natürlich hatte sich der Van Helsing im Zuge seiner Vorstellung in Demut geübt, war er es doch gewesen, welcher die Dame ungewollt und ungeniert umschlungen und aus der Gefahr entwendet hatte - eine Geste, welche viele Wesen des anderen Geschlechtes als einen Affront sehen konnten! Ein Fakt, welcher bei dieser hübschen Dame jedoch glücklicherweise aus blieb, was den Erzdämonen und dessen vorherige Aufregung ein wenig zu beruhigen schaffte. Ihre Worte mit einem Lächeln empfangend, handelte Alphonse natürlich sofort, wie man es von einem Gentleman zu erwarten hatte, indem er auf ihre Worte nur seicht den Kopf schüttelte, ehe er seine tiefe Stimme erhob, um der jungen Dame, welche sich ihm als Victoria Laval vorgetellt hatte, zu widersprechen. "Sie schulden mir gar nichts, Fräulein Laval! Es ist mir eine Ehre, einer reizenden Frau wie ihnen behilflich sein zu können; ich bestehe darauf, dass sie diese Geste ohne Gegenleistung entgegennehmen." Ihren Knicks mit einem Lächeln wahrnehmend - augenscheinlich handelte es sich bei dieser Dame um eine Frau aus gutem Hause - erwiderte der stämmige Stamm ihren Blick, wobei ihm natürlich nicht entging, dass ihr Blick geschwind über seinen Körper schweifte, bis er schließlich erneut auf seinen Iriden ruhte, ein warmes Lächeln ausstrahlend.
Seine Haare zurückstreifend, warf der Van Helsing dieses natürlich auch alsbald zurück, ehe er auch sie interessiert musterte und dabei weiter sprach. "Gehe ich recht in der Annahme, dass es sich bei einer noblen Mistress wie ihnen um eine Dämonin zu handeln vermag? Ich kann in ihren Augen ein Feuer erkennen, welches ich bisher nur bei den Meinigen zu sehen vermochte. Weiterhin wird man in diesen Zeiten wohl selten auf eine so stilvolle Dame wie sie treffen, welche nicht meiner Art angehört..." Seine Stimme nahm einen leicht melancholischen Klang an, ehe sie sich schließlich wieder normalisierte, er ihr mit der Andeutung einer leichten Verbeugung die Hand entgegenhielt und weiter sprach. "Auch, wenn dies Ihnen womöglich ein wenig plötzlich erscheinen mag... Dürfte ich sie denn zu Speis und Trank einladen, Miss Laval? Ich habe schon bessere Tage gesehen als die letzten, und würde gerne einmal wieder in angenehmer Gesellschaft mein tägliches Abendmahl zu mir nehmen." Nachdem Alphonse' Worte schließlich verklungen waren, fiel der Blick seiner eisblauen Iriden erneut in ihre fast schon als pink zu bezeichnenden Augen, was ihm wiederum ein freundliches Lächeln ins Gesicht zauberte. Noch nie hatte er in seinem langen Leben ein Wesen erblickt, welches solch atemberaubende Augen sein Eigen nannte; eine Farbe, hell wie der Tag, doch gleichzeitig rot wie das Blut. Es waren diese Augen, welche sein Interesse an der schönen Dämonin erweckte - ob sie wohl im Inneren war wie der Rest seiner Rasse, kalt wie der Winter und schwarz wie Nacht? Eine Frage, deren Lösung wohl durchaus interessant aufzudecken wäre...